Auswirkungen des "Brexit" auf die standesamtliche Praxis
Rundschreiben Personenstandsrecht 04.03.2021
Anwendung bestehenden Rechts in Bezug auf das Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union
RdSchr. d. BMI v. 04.03.2021 - V II 1 - 20103/98#27 -
per E-Mail an Innenministerien/Senatsverwaltungen für Inneres der Länder
Mit der Bezugsnachricht hatte ich Ihnen das erneut beigefügte Informationsschreiben des Bundesamtes für Justiz über die Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien aus der Europäischen Union auf die EU-Apostillen-Verordnung übersandt. Da vermehrt Fragen zu der Anwendung bestehenden Rechts in Bezug auf das Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union aufgetreten sind, weise ich auf Folgendes hin:
- Urkundenbeglaubigung
Seit dem 1. Januar 2021 findet die EU-Apostillen-Verordnung im Verhältnis zu Großbritannien keine Anwendung mehr, unabhängig davon, wann die Urkunde ausgestellt wurde. Stattdessen greift gegenüber britischen Urkunden das Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation. Insoweit sind auch Ehefähigkeitszeugnisse, die von britischen diplomatischen oder konsularischen Vertretungen in Deutschland ausgestellt werden, nicht anzuerkennen; § 1309 Absatz 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist im Verhältnis zu Großbritannien nicht mehr anwendbar. - Ehe- und Kindschaftssachen
- Die Anerkennungsregeln der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (sog. Brüssel-IIa-Verordnung) gelten gemäß Artikel 67 Absatz 2 Buchstabe b des Austrittsabkommens fort, soweit die betreffende gerichtliche Entscheidung in einem vor Ablauf des Übergangszeitraums (bis 31. Dezember 2020) eingeleiteten Verfahren ergangen ist. Dies gilt auch für solche Entscheidungen, die in einem über das Ende des Übergangszeitraums hinaus andauernden Verfahren erst nach dem 31. Dezember 2020 ergehen.
- Ist nach dem Vorgesagten die Brüssel-IIa-Verordnung im Verhältnis zu Großbritannien anwendbar, findet in Ehesachen ein Anerkennungsverfahren nach den §§ 107 ff. des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) nicht statt (Artikel 21 Absatz 1 Brüssel-IIa-Verordnung, § 97 Absatz 1 Satz 2 FamFG). Für Verfahren in Ehesachen, die nach dem 31. Dezember 2020 eingeleitet wurden, so dass die Brüssel-IIa-Verordnung im Verhältnis zu Großbritannien keine Anwendung findet, richtet sich die Anerkennung dagegen nach den §§ 107 ff. FamFG.
- In Fällen von Privatscheidungen ist mit den Maßgaben des Artikels 17 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (sog. ROM-III-Verordnung) anzuwenden.
- Namensrecht
Artikel 127 Absatz 1 des Austrittsabkommens legt fest, dass das Unionsrecht im Übergangszeitraum bis 31. Dezember 2020 greift. Das unionsrechtliche Anerkennungsgebot, welches in Deutschland durch Art. 48 EGBGB umgesetzt wird, gilt dementsprechend nur noch für „Deed-Poll-Verfahren“, die vor dem 1. Januar 2021 eingeleitet wurden.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Anwendungshinweise den Standesämtern Ihres Zuständigkeitsbereiches zur Kenntnis geben würden.
Im Auftrag